Dortmund 2019 - Was für ein Vertrauen in die menschliche Vernunft!

Freitag und Samstag - leider hatten wir nur zwei Tage - aber die haben wir intensiv genutzt und sind schon freitags sehr früh nach Dortmund gefahren. Zwei Tage gefüllt mit Vorträgen, Diskussionen, netten Begegnungen, interessanten neuen Ideen und vor allem viel Lauferei. Nach einer schon anstrengenden Bildungsreise ins Baltikum vorher mit viel Lauferei und nur einem Tag Pause wieder viel gelatscht auf dem Messegelände Dortmund, durch den Westfalenpark (weil die Haltestelle Westfalenhallen völlig überfüllt war), durch die Dortmunder Innenstadt, durch Aplerbeck, zum Hotel ... Was für ein Vertrauen in die Füße! Zum Glück war das Wetter grandios und wir konnten viel draußen sein, draußen sitzen, gucken, essen und uns unterhalten.

 

Alles in allem sehr harmonisch - fast schon ZU harmonisch. Was für ein Vertrauen in die menschliche Vernunft! Diskussionen über Klimawandel und Entwicklung der Mobilität in den Städten - kaum Gegenstimmen. Nur bei der Resolution zum Klimawandel wandte sich ein Kirchentagsteilnehmer gegen die geballte Mehrheit und meinte, was wäre denn, wenn das CO2 doch nicht schuld sei - Buhrufe und Gelächter aus dem Publikum, da war er so ziemlich allein. Auch sonst wenig Kritisches, viel Zustimmung für alles, was wir sowieso alle richtig finden.

 

Und warum passiert dann so wenig? Alle jubelten der Fridays for Future-Vertreterin Merle Bösing zu, die nochmal in ihrem Vortrag mit Nachdruck einen sofortigen Stopp der fossilen Brennstoffverwertung forderte. Was für ein Vertrauen in die Jugend! Aber ändern wir dadurch unser Verhalten? Mobilität in den Städten und auf dem Lande muss unterschiedlich betrachtet werden, auf dem Lande haben die Leute auch ein Recht auf öffentlichen Nahverkehr. Na prima, und jetzt? Das kostet wieder viel Geld. Viel Ja, finden wir auch und wenig Ja, machen wir auch mit. Problematisch ist wie immer in unserer Gesellschaft, wenn es ans Geld geht, denn, so die ehemalige Münchner Stadtbaurätin Prof. Dr. Thalgott, "das Portemonnaie ist unser empfindlichster Körperteil".

 

Auf dem Messegelände sehen wir einen Stand mit "Slokoffie", eine Initiative, die per Lastensegler 290 Kaffeesäcke aus Honduras in (nur!) 21 Tagen nach Bremen gesegelt haben, ohne Motorkraft, nur mit Wind. Von hier aus wird der Kaffee über einen direkten Vertrieb an den Mann oder die Frau gebracht. Was für ein Vertrauen in die Elemente! Segeln statt Motor. Wie wäre es mit Segeln als erste, Motorkraft als Zusatzoption? Kann ja auch mal Flaute geben. Das könnte den Warenverkehr auf See als einen der größten CO2-Verursacher entlasten. Denn 96 Prozent unserer Waren beziehen wir über Lieferung per Schiff, das haben wir beim Feierabendmahl-Gottesdienst der Seemanns-Mission in Aplerbeck gelernt. Slokoffie ist natürlich nicht zum ALDI-Preis zu haben, aber es lohnt sich, auch geschmacklich. Wir haben ihn gleich bestellt. Bestellt? Online? Also doch nicht ganz CO2-neutral? Sie verschicken mit DHL-GoGreen und benutzen Secondhand-Verpackung. Partnerfirmen für den Vertrieb vor Ort werden noch gesucht.

Besonderes Interesse fand bei meinem Mann Grillkohle aus Kokosnussschalen. Hier wird ein Abfallprodukt sinnvoll verwertet - und ist auch noch effektiver als Grillkohle aus Holz, so wird behauptet und auf Grillwettbewerben auch bereits bewiesen. Wir werden es ausprobieren und berichten! :-)

 

Dann kommt doch noch sowas wie kritische Kirchentagsstimmung auf, eine eindrückliche Demonstration an der Reinoldikirche ruft zur Rettung der Menschen im Mittelmeer auf und am Turm wird ein Banner mit den Namen der bisher bekannten über 35.000 Toten, die dort ein nasses Grab fanden, hochgezogen. Mit Nachdruck wird verlangt, die Verteilung der Flüchtlinge in Europa zu organisieren und Druck auf die Länder auszuüben, die sich querstellen, vor allem, wenn sich bereits Länder und Städte in Europa zur Aufnahme bereit erklärt haben.

 

Den Abschluss bildete am Samstagabend für uns ein Gottesdienst mit argentinischer Tangomusik, getanzter Liturgie - vorgeführt und selbst gemacht - und der Erkenntnis, dass das auch mit Sportschuhen geht. Kurze Überlegung, ob vielleicht barfuß ... könnte olfaktorisch ein Problem geben nach dem langen Tag, also lieber nicht. Viel gesungen aus dem Liederbuch (auch ein Tangolied drin!) und entspannte Bewegung nach viel Sitzen und Stehen. Spiritualität einmal anders. Sehr gut besucht.

 

Dann fielen die S-Bahnen zurück zum Hotel aus, Umweg gefahren, wieder viel gelaufen, zurück im Hotel auch noch eine Hochzeitsfeier (die aber zum Glück die Nachtruhe nicht störte). Das trübte den allgemeinen positiven Eindruck nicht. Es macht einfach Spaß, mit vielen anderen, die ähnlich denken, glauben, leben wie ich selbst zusammen zu sein, zu diskutieren, zu singen, sich auszutauschen, Gottesdienst verschiedener Art zu feiern. Es stärkt, richtet auf und schafft Vertrauen, in das eigene Tun, unseren Glauben und Vertrauen darauf, dass Gott auch in Zukunft dabei ist.

 

Am Sonntag früh zurück nach Köln, den Abschluss-Gottesdienst im Autoradio verfolgt, sehr gute Predigt von Dr. Sandra Bils, "Gottes geliebte Gurkentruppe" könnte ein geflügeltes Wort werden.

 

In zwei Jahren in Frankfurt am Main zum 3. ökumenischen Kirchentag - wenn Gott will und wir leben!

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